Redebeitrag: „10 Jahre Utøya. 5 Jahre München. – Rechter Terror tötet!“

Hier dokumentieren wir unseren Redebeitag vom 22.07.21 auf der von uns gemeinsamen mit SJD – Die Falken Frankfurt und einigen anderen antifaschistischen, feministischen und linken Gruppen organisierten Kundgebung „10 Jahre Utøya. 5 Jahre München. – Rechter Terror tötet!„.
Am 22. Juli 2011 wurden in Norwegen 77 Menschen bei einem rechten Terroranschlag ermordet. Am Jahrestag  im Jahr 2016 wurden weitere 9 Menschen im München aus rassistischen Gründen ermordet. 86 Menschen, die mehr sind als eine Zahl, die mehr sind als die Namen, die ihr eben gehört habt. Menschen, die lebten, liebten und kämpften. Menschen, denen wir heute gedenken. 10 Jahre Utøya und Oslo. 5 Jahre München. Denn rechter Terror tötet.
Er tötet Schwarze Menschen, People of Colour und Frauen. Er tötet Inter- und Trans-Personen, A*Gender und Non-Binäre. Er tötet behinderte Menschen und Obdachlose. Er tötet Jüd*innen, homosexuelle Menschen sowie Pan- und Bi-Sexuelle, Sinti*zze und Rom*nja. Er tötet Antifaschist*innen, Linke und Sozialist*innen aller Coleur. Er tötet jene, die nicht in das Wahnbild einer homogenen faschistoiden Gesellschaft passen, und er tötet jene, die sich entscheiden für eine freiere, egalitärere und solidarischere Welt zu kämpfen. Und er wird weiter töten, solang wir nicht auch noch das letzte faschistische Netzwerk zerschlagen haben, solange wir nicht auch noch die letzte Sicherheitsbehörde mit ihren rechten Umtrieben abgeschafft haben und solange wir nicht die letzten menschlichfeindlichen Wurzeln dieses Systems ausgerissen haben, die rechten Ideologien und damit dem Morden einen fruchtbaren Boden bieten. 
Der Anschlag von Utøya und Oslo wirkte wie ein Fanal für die rechten Täter weltweit. Er war der Ausgangspunkt für die Entstehung eines neuen Tätertyps und stellt uns als Antifaschist*innen vor eine neue Bedrohung, die bekämpft werden muss. Der Attentäter von München wählte bewusst den 5. Jahrestag von Utøya, um 9 Menschen aus rassistischen gründen zu ermorden. Aber auch die  Anschläge von Christchurch, el Paso, Dayton, Pittsburgh, Atlanta, Halle und Hanau müssen  immer als Teil dieser Kontinuität nach Utøya betrachtet werden.  Wir wollen die Namen dieser Täter nicht nennen, denn viele von ihnen suchen die öffentliche Aufmerksamkeit für die Zurschaustellung ihres eigenen autoritären Charakters und zur Verbreitung ihrer menschenfeindlichen Ideologien. Aber wir denken, dass wir als Antifaschist*innen darüber reden müssen, woher diese Täter kommen und wie sie agieren.
Klassische Neonazi-Täter kommen häufig aus organisierten faschistischen Strukturen, durchlaufen dort jahrelang eine rechte Sozialisation und verüben dann mehr oder weniger aus dem Untergrund Anschläge. Dabei werden sie von ihren Kamerad*innen und dem ein oder anderen vom Verfassungsschutz finanzierten V-Mann tatkräftig unterstützt. In der Regel gibt es kein Bekennerschreiben, ihre Anschläge sollen für sich sprechen. Und während für die Betroffenen meistens mehr als deutlich ist, aus welcher rechten Ecke die Gewalt kommt, bleiben Polizei und Justiz blind – mal aus purer Ignoranz, mal aus offenem Rassismus, mal aus mehr oder weniger heimlicher Sympathie.
Die neuen rechten Gesinnungsmörder in der Kontinutät von Utøya hingegen agieren individuell, sie sind aber beileibe keine Einzeltäter. Sie sind Teil einer digital vernetzten Community. Bestärken sich in Foren gegenseitig in ihrem menschenfeindlichen Hass, beziehen sich auf einander und begreifen sich selbst als Teil einer globalen Bewegung. Sie tauschen ihre Pläne, ihre Strategien und ihr Wissen aus und helfen sich gegenseitig ihre Bekennerschreiben und Tatvideos zu verbreiten. Viele von ihnen sind den Sicherheitsbehörden schon vorher bekannt. Sie fallen auf durch Gewalt und Drohung, aber besitzen trotzdem  nicht selten ganz legal Waffen. Auch hier wird von Polizei und Justiz manchmal aus Inkompetenz und häufig aus ideologischen Gründen solange verharmlost, relativiert und abgewiegelt bis es zu spät ist. Und selbst dann werden die faschistischen Motiv geleugnet bis es gar nicht mehr anders geht. Wie etwa bei dem rechten Anschlag von München, dessen rassistischen Motive teilweise bis heute von offiziellen Behörden als Amoklauf relativiert werden.
Was alle rechten Terroristen jedoch gemeinsam haben, – außer dass sie in der Regel weiße heterosexuelle Männer sind – ist,dass sie ein elementarer Bestandteil der rechten Bewegungen weltweit sind. Denn alle rechte Bewegungen – egal, ob sie sich Faschismus, Neue Rechte, PEGIDA, Querdenken oder AfD nennen – alle diese rechten Bewegungen sind ihrem Wesen nach mörderisch. Denn es gibt keine homogene Volksgemeinschaft ohne rassistischen Mord und Deportation. Es gibt keine traditionellen Geschlechterrollen ohne patriarchale Gewalt und Feminizide. Es gibt keinen Nationalismus ohne antisemitisches Pogrom. Deshalb gibt es auch keinen gemäßigten Antifeminismus, es gibt keine tolierbare Queerfeindlichkeit, es gibt auch keinen harmlosen Rassismus und es gibt keinen aktzepablen Antisemitismus – auch nicht wenn er sich Antizionismus nennt. Rechter Terror, ob staatlich oder individuell, ist immer die letzte Konsequenz jeder rechten Ideologie. Deshalb redet man nicht mit Rechten, man bietet ihnen keine Bühne und man macht ganz sicher keine Homestory mit ihnen über ihr Rittergut in Schnellroda oder bei einem Apfelwein in einer Kneipe in Offenbach.
Wir hier können sicher nicht jeden rechten Mörder aufhalten, der einen Anschlag plant. Aber wir können die Rechten da bekämpfen, wo wir sie treffen. Denn wenn wir die rechten Demos auf der Straße blockieren oder sie im Internet angreifen, bekämpfen wir eben jene Bewegung, die den rechten Mördern ihre Bestätigung gibt. Wenn wir den Wahlkampf der AfD stören und gegen ihre Veranstaltungen mobilisieren, dann bekämpfen wir den parlamentarischen Arm der rechten Bewegung, der ihre Propaganda versucht Salonfähig zu machen. Wenn wir die Auflösung des Verfassungsschutzes und die Entnazifizierung der Polizei und damit ihre Abschaffung fordern, greifen wir ebene jene Sicherheitsbehörden an, welche die Täter häufig mehr unterstützen als behindern – wenn die Täter nicht sogar gleich aus ihren Reihen kommen. Und wenn wir den Rassismus, den Sexismus, die Queerfeindlichkeit, den Antisemitismus und den Sozialchauvinismus attackieren, die bis weit in die Mitte der Gesellschaft reichen, greifen wir den Nährboden an, auf dem rechte Ideologien überhaupt gedeihen können. Denn nur so können wir den rechten Terror letztendlich besiegen: wenn wir alle gemeinsam als Antifaschist*innen kämpfen.