Ob auf den Straßen von Teheran, Warschau, Texas, Rojava, Mexico City, Istanbul, Bogota oder hier in Frankfurt: der feministische Kampf gegen Gewalt und Unterdrückung und für eine Welt, in der alle Menschen sicher und ohne Angst verschieden sein können, geht weiter.
Jeden Tag widerfährt Frauen, trans- und nichtbinären Menschen Gewalt. Die Liste an täglicher Gewalt gegen Frauen, trans und nichtbinäre Menschen reißt nicht ab.
Im letzten Jahr meldete das Trans Murder Monitoring weltweit 320 Personen, die aufgrund von Trans*feindlichkeit getötet wurden. Die überwiegende Mehrheit unter ihnen waren Schwarze und indigene trans*feminine Personen oder trans*feminine People of Color. Mehr als ein Drittel der Morde fand auf offener Straße statt ; ein weiteres Viertel in der Wohnung der Getöteten.
Auf offener Straße erlitt auch Malte C. einen tödlichen Angriff. 2022 feierte er mit vielen anderen den CSD in Münster. Als er beobachtete, wie Teilnehmer*innen queerfeindlich bedroht und beschimpft wurden, versuchte er mutig, sie zu schützen.Der Täter schlug ihn daraufhin so heftig, dass er mit dem Hinterkopf auf den Boden fiel und fünf Tage später an den schweren Verletzungen verstarb. Der Täter beleidigte Malte zuvor eindeutig trans*feindlich, unter anderem indem er behauptete, Malte sei „kein richtiger Mann“. Dennoch erkannte das Gericht nicht an, dass diese Tat aus Trans*feindlichkeit und damit aus einem geschlechtsspezifischen Motiv heraus geschah.
Von einem unfassbaren Ausmaß an patriarchaler Gewalt ist auch die Französin Gisèle Pelicot betroffen. Über zehn Jahre hinweg wurde sie regelmäßig von ihrem damaligen Ehemann mit schwersten Angstlösern und Schmerzmitteln betäubt und im Internet anderen Männern zur Vergewaltigung angeboten. Gisèle Pelicot möchte anderen Betroffenen Mut machen und wir schließen uns ihrer Forderung an, dass die Scham für sexualisierte Gewalt die Seiten wechseln muss. Schämen müssen sich ausschließlich die Täter!
Alle vier Minuten erlebt eine Frau in Deutschland Gewalt durch ihren Partner oder Expartner. Jeden zweiten Tag wird eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet. 2023 wurden in Deutschland 155 Femizide gezählt, dieses Jahr sind es laut den Zählungen der Intitiative „Femizide stoppen!“ bis zum jetzigen Zeitpunkt 81 (sind es nicht 86 mittlerweile?) ermordete Frauen.
Eine Woche nach dem islamistischen Attentat in Solingen Ende August wurden in Berlin gleich zwei Frauen Opfer eines Femizids. Einen öffentlichen Aufschrei zu diesen beiden Morden und zur Gewalt gegen Frauen und Mädchen allgemein bleibt dennoch aus, es sei denn diese lässt sich für rassistische Diskurse verwerten. Sexisten und Antifeministen sind aber nicht nur die vermeintlich Anderen ! Patriarchales Denken ist fest verankert in unserer Gesellschaft und wir beobachten täglich, dass bereits erkämpfte Rechte für Frauen und Queers keine Selbstverständlichkeit sind, sondern stets durch reaktionäre und autoritäre Kräfte, wie hierzulande die AfD, bedroht werden.
Der Kampf gegen das Patriarchat ist global und universal. Ein Beispiel hierfür ist die Frauenbewegung in Argentinien. 2015 initiierte sie mit der Kampagne «Ni una menos» («Nicht eine weniger») Massenproteste gegen Femizide und mobilisierte immer wieder Hunderttausende für Demonstrationen. Sie rückte so das Thema ins öffentliche Bewusstsein – und veränderte Institutionen. 2020 errangen die Argentinier*innen das Recht auf Abtreibung und sorgten dafür, dass FLINTAs in Not staatliche Unterstützung bekommen. Diese erkämpften Rechte sind aktuell durch die neue rechtspopulistische Regierung bedroht. Nach dem Amtsantritt schaffte die rechtspopulistische Regierung unter Javier Milei bereits das Ministerium für Frauen und Gendergerechtigkeit ab, hob per Dekret ein Gesetz auf, das eine Quote für die Beschäftigung von Transpersonen in öffentlichen Institutionen vorschrieb und stellte telefonische Beratung für von Gewalt betroffene Frauen ein.
In Indien streikten dieses Jahr landesweit Krankenhauspersonal und FLINTAs, nachdem eine Ärztin im Krankenhaus ermordet wurde.
Im Iran löste der Tod von Jina Mahsa Amini nach ihrer Verhaftung durch die Sittenpolizei im September 2022 eine nie dagewesene Demonstrationswelle aus. Unter dem Slogan „Jin Jiyan Azadi“ breitete sich die Protestbewegung im ganzen Land aus. Es gingen Bilder und Videos um die Welt, auf denen junge Frauen ohne Kopftuch auf der Straße tanzen und sich so dem Mullah-Regime widersetzen. Auch jetzt, zwei Jahre später, begeben sich die Protestierenden immernoch in Lebensgefahr, weil sie die unterdrückerischen Verhältnisse nicht länger hinnehmen wollen. Gerade erst mussten die beiden Journalistinnen, Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi, die über den Mord an Jina Mahsa Amini berichtet haben, erneut wegen „Propaganda“ für jeweils fünf Jahre ins Gefängnis.
Neben der Bedrohung unserer Freiheit durch reaktionäre Regierungen, mussten wir im letzten Jahr miterleben, wie auch in vermeintlich progressiven Kreisen Frauenverachtung in erschreckendem Ausmaß zu Tage trat, als die brutale sexualisierte Gewalt im Rahmen des islamistischen Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 geleugnet, relativiert oder sogar als angeblich legitimer Widerstand gefeiert wurde. Sexualisierte Gewalt an Frauen wird dabei als Kollateralschaden hingenommen, und jeglicher Anspruch auf Emanzipation verschwindet. Für uns steht fest: Rape is not Résistance!
Wir stehen dafür ein, dass alle FLINTAs in Würde und ohne Gewalt leben können!
Deswegen wollen wir in diesem Jahr am 22. November sowohl im Zuge des internationalen trans day of Remembrance als auch des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen und Mädchen mit euch gemeinsam auf die Straße gehen, laut und sichtbar sein!
Wir organisieren uns gemeinsam gegen Cis-Patriarchat und Kapitalismus, wollen solidarisch miteinander kämpfen: gegen sexistische, cisnormative Diskriminierung, Gewalt und Unterdrückung.
Konkret bedeutet das: Wehrt euch gegen Kapital und (Cis-)Patriarchat. Bildet euch weiter und beginnt, gemeinsam die Verhältnisse und Wirkmechanismen aufzudecken, um zu verstehen, woraus Diskriminierung, Transfeindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Unterdrückung hervorgebracht werden.
Solidarisiert euch mit anderen Frauen, Mädchen, trans, inter und nichtbinären Menschen: Schafft Räume für Austausch und gegenseitiges Empowerment, um euch zusammenzuschließen und gegen die Vereinzelung, sowie die Tabuisierung von Gewalterfahrungen zu kämpfen.
Seid aufmerksam im eigenen Bekanntenkreis, in der Nachbarschaft, in der Familie, aber auch in der Öffentlichkeit. Steht ein gegen Verharmlosung von patriarchaler Gewalt, hört Betroffenen zu, glaubt ihnen und schreitet auch selbst ein, wenn ihr patriarchale Gewalt miterlebt.
Heute sind wir in Gedanken bei all denen, die widerständig sind, sich nicht einschüchtern lassen und teils unter massiven Repression für ein freies Leben kämpfen. Wir gedenken aber auch all denen, die die cis-patriachale Gewalt nicht überlebt haben.
Lasst uns unsere Wut und unsere Trauer gemeinsam auf die Straße tragen, zusammen gegen den (cis-)patriachalen und kapitalistischen Normalzustand! Jin Jiyan Azadi! Feindschaft den Trans*feind*innen!