Hier dokumentieren wir einen Redebeitrag von der „Wir sind 100 Jahre Antifa“-Demo zum antifaschistischen Widerstand in Frankfurt seit den 1970er Jahren. Von Genoss*innen, die seit den 80er Jahren antifaschistisch aktiv sind. Der Redebeitrag erwähnt viele Ereignisse nicht und konzentriert sich auf die wichtigen Stationen hin zu einer Kultur des konfrontativen Antifaschismus, die sich seit den 70er Jahren in Frankfurt entwickelt hat.
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir stehen vor dem Haus Gallus. Hier fand Anfang der 1960er Jahre der größte deutsche Auschwitzprozess statt. Zahlreiche Überlebende des NS-Terrors berichteten hier von ihren erschütternden Verfolgungserfahrungen. Der Prozess konfrontierte viele Deutsche erstmals mit den Erzählungen der Überlebenden und der Grausamkeit der Verbrechen.
Berichte zum Auschwitzprozess geben wieder, dass einige Polizisten salutierten, als die angeklagten ehemaligen SS-Angehörigen den Gerichtsaal betraten. Diese Episode macht deutlich, in welcher gesellschaftlichen Stimmung der Prozess stattgefunden hat. Die Loyalität gegenüber den Tätern war oft größer als die Empathie mit den Opfern.
Das völkische Lager war in der Bundesrepublik stark verwurzelt und gut organisiert. Parallel zum Auschwitzprozess gründete sich Ende 1964 die NPD, sie hatte bald 40.000 Mitglieder und zog in Kommunal- und Landesparlamente ein.
In den 1970er Jahren suchte die NPD in Frankfurt immer wieder die Konfrontation und versuchte, gegen den stärker werdenden antifaschistischen Widerstand in einer Hochburg der neuen Linken, der Frauenbewegung und migrantischer Exilorganisationen aufzumarschieren. Sie scheiterte 1979 schließlich an den breiten Gegenmobilisierungen, die wesentlich von der radikalen Linken getragen, bis in die Gewerkschaften reichte. Mit den Aktionen um „Rock gegen Rechts“ im Jahr 1979 hat sich in Frankfurt ein konfrontativer Antifaschismus etabliert, der in der Stadt jedoch auch heftige politische und polizeiliche Gegenreaktionen und Diffamierungen erfuhr.
Aus den Auseinandersetzungen mit Nazis entstand die Notwendigkeit antifaschistischer Organisierung. Recherche, Gegenöffentlichkeit, die Mobilisierung gegen Parteitage und Aufmärsche, Rock gegen Rechts-Konzerte: viele Elemente des heutigen Antifaschismus haben ihren Ursprung in den 70er Jahren.
Wenige Meter von hier in der Hufnagelstraße starb Günter Sare am 28. September 1985 bei Protesten gegen eine Wahlkampf-veranstaltung der NPD. Mit Gewalt hatte die Polizei schon die Veranstaltung gegen Blockadeversuche erzwungen, als ein Wasserwerfer den 36-jährigen Antifaschisten Günter Sare überfuhr und tötete.
Zu diesem Zeitpunkt tolerierten die Grünen bereits die SPD-Landesregierung. Der Eintritt in die Koalition war den Realos wichtiger als der Tod eines Demonstranten. Dies führte zum Riss zwischen den außerparlamentarischen Bewegungen im Rhein-Main-Gebiet und der grünen Partei.
In den 1980er Jahren gab es bundesweit zahlreiche Anschläge von Nazis, deren Opfer meist Migrant*innen waren. Auch war dieses Jahrzehnt von rassistischen Kampagnen der CDU geprägt. So hetzte der damalige Frankfurter Oberbürgermeister Walter Wallmann im Kommunalwahlkampf 1985 gegen Nachzug von Kindern hier lebender Migrant*innen mit der bewusst doppeldeutigen Parole „Frankfurts Ausländerproblem liegt in ihrer Hand“. Die Positionen der CDU waren anschlussfähig an den Kampf der Nazis gegen „Überfremdung“ und für „Ausländerrückführung“. Gemeinsam vertraten sie ein völkisches Verständnis von Staat und Nation.
Im Zuge der Vereinigung von BRD und DDR vervielfachten sich die rassistischen Gewalttaten in den folgenden Jahren. Insbesondere in den neuen Bundesländern waren junge Antifaschist*innen permanenter Gewalt ausgesetzt. Der Pogrom in Hoyerswerda im September 1991 war Auftakt zu zahlreichen rassistischen Morden, Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte, Restaurants und Imbissbuden und einem eskalierten Alltagsrassismus. Antifaschismus und Antirassismus wurden zu den zentralen Aktionsfeldern für viele radikale Linke.
So wurde sich in Frankfurt in Stadtteilgruppen und dem Antirassistischen und Antifaschistischen Notruftelefon übergreifend organisiert, um schnell handlungsfähig zu sein. Von 1990 bis 1993 hat sich die radikale Linke bundesweit massiv und mit all der ihr zur Verfügung stehenden Energie und Macht der rassistischen Mobilisierung von Elite und Mob, Medien und Stammtischen gegen Flüchtlinge und zur Abschaffung des Asylrechts entgegengestellt. Es waren harte Jahre, die oft durch gesellschaftliche Isolation und weniger werdende Bündnispartner*innen geprägt war.
Anfang der 2000er Jahre kam es erneut zu Aufmarschversuchen militanter Nazis in Frankfurt. Durch eine Strategie aus robuster Gegenwehr, Aufklärungskampagnen und Bündnisarbeit gelang es der Antifa, einen breiten Protest auf die Straße zu bringen und den Nazis auf die Pelle zu rücken. Die antifaschistische Gegenwehr fand in vielen Formen ihren Ausdruck, die jedoch nicht gegeneinander ausgespielt wurden, sondern sich tatsächlich ergänzt haben. Dass sich in Frankfurt der konfrontative Antifaschismus heutzutage als die richtige politische Antwort auf Nazi-Aktivitäten etabliert hat, ist ein Erfolg der vielen Jahre vielfältiger antifaschistischer Arbeit. Wo immer sich Nazis und Rassist*innen in Frankfurt zeigen, wann immer sie versuchen werden zu marschieren: sie werden nicht durchkommen!
Kein Fußbreit den Faschist*innen!
No pasaran! Pasaremos!
Foto: Joe Pohl