Am 7. Mai rief ein Bündnis antifaschistischer Gruppierungen zur Demo „Wir sind 100 Jahre Antifa“ in Frankfurt auf. Am Vorabend des Tags der Befreiung vom deutschen Faschismus fanden sich knapp 3.000 Antifaschist*innen ein, um gemeinsam daran zu erinnern, dass sich vor 100 Jahren mit den „arditi del popolo“ die ersten antifaschistischen Gruppen in Italien gründeten. Gemeinsam wurde auf Frankfurts Straßenn eine breite, bunte, aber auch starke und lebendige antifaschistische Bewegung gefeiert.
Die Demo begann um 18 Uhr am Saalbau Gallus. Der Ort der Auftaktkundgebung war bewusst gewählt: Hier fanden in den 1960er Jahren die Frankfurter Auschwitzprozesse statt, hier wurde im Jahr 1985 der Frankfurter Antifaschist Günther Sare bei einem Protest gegen eine NPD-Veranstaltung von der Polizei getötet. Leider wurde der Ort der Auftaktkundgebung zudem in der vergangenen Woche zum Schauplatz brutaler Polizeigewalt, als die Frankfurter Polizei die revolutionäre 1.-Mai-Demo angriff.
Entsprechend thematisierten die Redebeiträge der Auftaktkundgebung diese örtlichen Zusammenhänge: Ein Redebeitrag stellte die Geschichte des organisierten, autonomen Antifaschismus in Frankfurt seit den 1960er Jahren dar und ging auf die Umstände des Todes von Günter Sare ein. Ein weiterer Redebeitrag des Offenen antifaschistischen Treffens (OAT) diskutierte, was Antifa heute bedeutet und welche Rolle dabei eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der antifaschistischen Bewegung spielt. Auch auf die Rolle oft vernachlässigter Aspekte der politischen Arbeit ging der Redebeitrag ein: „Antifa heißt auch Selbstreflexion. Es heißt auch, Sorge zu tragen für einander – gerade in Zeiten der Krise!“ Das 1.-Mai-Bündnis kritisierte den Polizeieinsatz vom vergangenen Samstag scharf. Die Polizei hatte mit ihrem Angriff schwere Verletzungen verursacht. Der Redebeitrag der Interventionistischen Linken (iL) Frankfurt thematisierte, warum Feminismus und Antifaschismus untrennbar zusammengehören. Der Ort der Auftaktkundgebung wurde zudem genutzt, um auf die antifaschistische Demo am kommenden Samstag, dem 15. Mai, in Offenbach hinzuweisen: Anlässlich des Prozessbeginns gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A., der rechte Terroranschläge geplant hatte, findet dort eine Demonstration der Kampagne „Ein Einzelfall kommt selten allein“ statt. Beginn ist um 15 Uhr am Offenbacher Hauptbahnhof.
Vom Saalbau Gallus zog die Demonstration über Hufnagelstraße und Mainzer Landstraße, zeitweise untermalt von Pyrotechnik und Konfetti, vom Gallus- ins Bahnhofsviertel zum Baseler Platz. Die Polizei hielt sich nach den Geschehnissen vom 1. Mai offenkundig zurück, provozierte aber dennoch immer wieder, indem etwa ein Videoüberwachungswagen nah an die Demonstration gefahren wurde und diese anlasslos filmte. Auch an der Zwischenkundgebung am Baseler Platz erwartete die Demonstration ein Wasserwerfer, der direkt auf die Kundgebungsfläche gerichtet war.
Am Baseler Platz, nahe des 4. Frankfurter Polizeireviers, thematisierten Redebeiträge aktuelle Fälle von Repression gegen Linke. So rief ein Redebeitrag zur Solidarität mit von Repression betroffenen Antifaschist*innen aus Baden-Württemberg auf, insbesondere angesichts des laufenden Gerichtsprozesses gegen die Antifaschisten Jo und Dy. Auch die Kampagne „Rise up for Solidarity“ hielt einen Redebeitrag, die Solidarität gegen die Repression nach der antimilitaristischen Blockade des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn vom letzten Jahr organisiert. Ein Redebeitrag kurdischer Jugendlicher diskutierte zudem die Rolle der Jugend als politische Kraft.
Vom Baseler Platz lief die Demonstration zurück zum Hauptbahnhof und in die Kaiserstraße. Gerade im Bahnhofsviertel war starker Zuspruch zu spüren; inzwischen war die Demonstration auf knapp 3.000 Teilnehmer*innen angewachsen. Am Kaisersack wurde ein Redebeitrag der Soligruppe für die inhaftierte Antifaschistin Lina aus Leipzig verlesen. Anschließend wurde die Demonstration vorzeitig aufgelöst.
In Frankfurt konnte am 7. Mai gezeigt werden, dass die oft totgesagte Antifa eine lebendige Bewegung ist. Sie blickt auf eine bewegte, nunmehr einhundertjährige Geschichte zurück. Auch in Zukunft, so der Appell des Demo-Bündnisses, werde man nicht müde, Rassismus, Antisemitismus und Faschismus zu bekämpfen.
Foto: Joe Pohl