Unsere Rede auf der Kundgebung „Riederwald ist bunt“

Die faschistischen Angriffe, wegen denen wir heute hier zusammen stehen, haben uns zutiefst getroffen – doch überrascht haben sie uns nicht. Sie sind das Produkt einer Nation in der eine faschistische Partei wenige Prozentpunkte davon entfernt ist die stärkste Parlamentarische Kraft zu sein. Einer Gesellschaft in der Rassismus, Antisemitismus und Queerfeindlichkeit zum Alltag gehören. Einer Politik in der ein makaberer Wettbewerb um die meisten Abschiebungen ausgebrochen ist, in der geflüchtete Menschen als Zahlen entmenschlicht werden.

Diese Entwicklung ist kein äußeres Phänomen. Sie passiert nicht trotz, sondern gerade wegen Deutschland. Sie reiht sich ein in die geschichtliche Kontinuität des Nationalsozialismus, der mehr als mangelhaften Entnazifizierung Deutschlands, der rassistischen Pogrome der Baseballschlägerjahre, der Verwicklung des Staates in die NSU Morde und nicht zuletzt der Anschläge in Halle und Hanau. 

Allein 2024 lassen sich die gesamtgesellschaftlichen Vorgänge des Rechtsrucks anhand weniger Beispiele aufführen. Mit knapp 34.000 rechtsextremen Straftaten erreichten wir letztes Jahr einen neuen Höchststand. Das sind insgesamt 17 Prozent mehr als im vorherigen Jahr und über den Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte lässt sich ein kontinuierlicher Anstieg erkennen. Des weiteren wurden im letzten Jahr 218 Angriffe auf Unterkünfte und 1900 Straftaten direkt gegen geflüchtete Menschen verzeichnet.

In der parlamentarischen Spähre zeichnet sich die Entwicklung unserer Gesellschaft in den Beschlüssen des Bundestags, im erstarken konservativer und rechtsgerichteter Ideen, und den eklatanten Falschaussagen etablierter Politiker*innen ab. Von Friedrichs Merz 5 Punkte Plan der CDU bis zu den politischen Kernelementen der AfD werden geflüchtete und migrantisierte Menschen entrechtet und kriminalisiert. Im gleichen Atemzug ist die öffentlich Debatte geformt von den Worten: Wie, wo und wann abschieben.

Die Angriffe hier im Riederwald sind nicht nur ein Symptom der eben skizzierten politischen Stimmung. Sie sind auch Teil einer neu erstarkenden rechten Jugendkultur und Strategie. Gleichsam mit dem Anstieg rechtsextremer Straftaten entstanden in letzterer Zeit verschiedene neofaschistische Jugendorganisationen.

Die Gruppe Unitas Germanica formierte sich virtuell und gelangte nun vom Internet auf die Straße. Die Jugendlichen vertreten rechtsextreme Positionen und fokussieren ihren Hass auf migrantisierte Menschen, antifaschistische Gruppen und LGBTQIA+ Communities. Vorheriges Jahr hat die Gruppe das offene antifaschistische Treffen – kurz OAT – in Rems-Murr angegriffen, sie machten Fotos von Einzelpersonen des OATs und verbreiteten sie auf social Media, wobei sie auf ihrem propagandistischen TikTok Kanal inzwischen mehr als 4.000 Follower*innen haben. Im September letzen Jahres hat Unitas Germanica mit anderen Neonazi Gruppen den CSD in Albstadt angegriffen, sie ist mittlerweile Bundesweit aktiv und verzeichnet einen stetigen Zulauf an neuen Mitgliedern.

Eine weitere Neugründung einer rechten Jugendorganisation fand 2024 in Baden-Württemberg statt. Die Nationalrevolutionäre Jugend, kurz NRJ. Sie ist ein Ableger der rechtsextremen Partei – Der dritte Weg – und deutschlandweit aktiv. Die Gruppe warnt vor dem Untergang der sogenannten europäischen Völker und inszeniert sich dabei als starke, gesunde, deutsche Jugend deren Lebensentwurf ein Gegenpol zur verkommenen Gesellschaft sei. Sie locken Jugendliche im Netz mit gemeinschaftlichen Freizeitaktivitäten wie Wandern oder Outdoor-Sport. Es mag zunächst harmlos erscheinen, doch faschistische Ideologien gehen mit Gewalt Hand in Hand. So werden Mitglieder der Gruppe in Zusammenhang mit einem Angriff auf Demonstrant*innen am Berliner Ostkreuz gebracht, welcher im Juli letzen Jahres am Rande einer antifaschistischen Demonstration stattfand. Die Neonazis waren zwischen 19 und 20 Jahre alt und unter anderem mit Schlagringen bewaffnet.  Sie verletzten bei dem Angriff 5 Antifaschist*innen, zwei davon waren schwerverletzt.

Parallel zu den Neugründungen rechter Jugendorganisationen ist das verstärkte Aufkommen rechter Kampfsportclubs, beziehungsweise sogenannter Active Clubs wie zum Beispiel das ,,Team Spartan Weiden’’. Jung, oberkörperfrei und durchtrainiert posieren sie im Boxring für Instagram. Die neonazistische Organisierungsform trainiert den Kampf um einen angeblichen weißen Genozid zu verhindern. Der Typ des kriegerischen deutschen Mannes mit hoher Gewaltbereitschaft scheint attraktiver zu werden, wie sich am hohen Zulauf der Clubs sehen lässt. Ideologisch ausgerüstet und strukturell eingebunden werden die Clubs über etablierte Neonazi Gruppen wie die Identitäre Bewegung bis hin zu Teilen der AfD.

Unsere Antwort auf diese Entwicklung muss klar und entschlossen sein. Wir dürfen angesichts der rechten Raumnahme keinen Millimeter mehr zurückweichen. Unsere Aufgabe als linke Bewegung ist es, faschistische Ideologien zu entlarven und zu bekämpfen. Im privaten, Diskriminierungen nicht schweigend hinzunehmen. Im Stadtbild, keinen einzigen rechten Sticker oder Graffiti stehenzulassen. Auf der Straße, gegen jeden Meter den die Faschos versuchen zu laufen – zu kämpfen und sich erst zufrieden geben wenn sie kleinlaut ihre Fahnen einpacken und wieder abziehen.

Wir müssen nicht nur den Nazis, sondern auch den Bedingungen und Wiedersprüchen die sie hervorgebracht haben den Kampf ansagen. Es ist unsere Aufgabe eine bunte, breite und antifaschistische Gegen- und Jugendkultur anzubieten. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Trotz aller Bemühungen, haben wir Spaß und bleiben laut und sichtbar.

Denn Riederwald war bunt, ist bunt und wird bunt bleiben!