Gemeinsames Statement queerer und linker/linksradikaler Gruppen aus Frankfurt:
Vergessene Wurzeln? Wohl kaum…
The first pride was a riot!
Der berühmte Stonewall-Aufstand etwa war ein Aufstand von Menschen unterschiedlichster prekärer Hintergründe und Lebensweisen: Arbeitende, Obdachlose, Sexarbeitende, Drags, Schwarze/People of Color – Queers im ursprünglichen Schimpfwortsinne -, »Die um ihr Überleben kämpften« (Silvia Rivera). Der Aufstand richtete sich gegen repressive Polizeigewalt und im weiteren Sinne gegen gesellschaftliche Strukturen, welche die Menschen marginalisierten und an den Rand der Gesellschaft drängten.
Wir sind entsetzt und enttäuscht, wie sehr durch die Organisation des CSDs in Frankfurt diese Geschichte und Kontext des CSDs mit Füßen getreten wird. Das Verbot von Kritik an der Institution Polizei bzw. von ›Beleidigung und Anfeindungen der Polizei‹ zeigt, wie wenig gesellschaftliche Machtverhältnisse und die Auswirkungen derselben auf verschiedene Communities mitgedacht und berücksichtigt werden. Manche Gruppen wie z.B. SemraFAM und queervisible collective nehmen aufgrund dieser Haltung nicht am CSD teil – hier ihr Statement: https://www.instagram.com/p/CumBPW5soRL/. Das ist ein Skandal und unmittelbar auf die Haltung des CSD Verein Frankfurt zurückzuführen.
Aber hat die CSD-Orga in Frankfurt einfach nur ihre Wurzeln vergessen? Das wohl kaum. Whitewashing hat in der „queeren Comunity“ eine lange Tradition. Wir wollen auf dieses whitewashing des CSD sowie queer/pinkwashing von Institutionen wie Polizei, Banken, Firmen etc. hinweisen und daran erinnern, dass der CSD eine Demo ist und keine Party. Wir rufen dazu auf, auf das Unsichtbarmachen von unterschiedlichen Kämpfen in den queeren Communities, auf bestehende Machtverhältnisse, auf strukturelle Gewalt, auf das repressive System der Polizei aufmerksam zu machen, auch auf dem CSD. Die Verhältnisse, die zu den Stonewall riots geführt haben, bestehen nach wie vor – lasst uns als Communities zusammen stehen und dies sichtbar machen.
Aber hat die CSD-Orga in Frankfurt einfach nur ihre Wurzeln vergessen? Das wohl kaum. Whitewashing hat in der „queeren Comunity“ eine lange Tradition. Wir wollen auf dieses whitewashing des CSD sowie queer/pinkwashing von Institutionen wie Polizei, Banken, Firmen etc. hinweisen und daran erinnern, dass der CSD eine Demo ist und keine Party. Wir rufen dazu auf, auf das Unsichtbarmachen von unterschiedlichen Kämpfen in den queeren Communities, auf bestehende Machtverhältnisse, auf strukturelle Gewalt, auf das repressive System der Polizei aufmerksam zu machen, auch auf dem CSD. Die Verhältnisse, die zu den Stonewall riots geführt haben, bestehen nach wie vor – lasst uns als Communities zusammen stehen und dies sichtbar machen.
Geschichtlicher Background
»Das whitewashing beginnt mit dem Geburtstag der ›Queer Comunity‹. Bereits im August 1966 revoltierten in San Francisco, wo sich zuvor queere Jugendliche von der Straße in der Selbsthilfeorganisation Vanguard zusammengeschlossen hatten, Schwarze Trans*-Frauen und Sexarbeiter_innen im Compton’s Cafeteria Riot gegen Polizeiwillkür. Doch mit den Gay-Pride-Paraden wird heute in den Metropolen der ›westlichen Welt‹ alljährlich eines späteren Aufstands in New York City gedacht – oder vielmehr der durch gesettelte Homos von Hinweisen auf Klasse, ›Rasse‹ und nicht eindeutig ›männliches‹ Geschlecht weitgehend ›gesäuberten‹ großen Erzählung dessen, was dort in der Christopher Street im Stadtviertel Greenwich Village Ende Juni 1969 geschehen sein soll« (Voß/Wolter).
Silvia Rivera war eine Trans*aktivistin und Sexarbeiterin, die maßgeblich an den Stonewall-Riots beteiligt war. Bis vor kurzem war sie allerdings aus der Geschichte wie ausgelöscht. Sie erhob die Stimme für die am meisten marginalisierten Gruppen – Trans*personen of Color und solche mit niedrigem Einkomme, und es wird gesagt, dass sie die erste Person gewesen sei, die am Tag des Aufstands eine Flasche geworfen hatte. Sie setzte sich auch stark für Obdachlose ein, doch ihr Engagement für unterrepräsentierte Gruppen führte dazu, dass sie aus der, später von weißen Mittelklasse Cis-Schwulen dominierten Community ausgeschlossen wurde. Sie starb 2002 in einem Obdachlosenheim für Trans*personen an Krebs.
Marsha P. Johnson war ›Dragmutter‹ von vielen Menschen und Mentorin von Silvia Rivera, mit der sie S.T.A.R. (Street Transvestite Action Revolutionaries, eine Organisation, die sich um Lebensmittel und Unterkunft für obdachlose Trans*personen und Drags kümmerte) gründete. Sie war auch eine Veteranin der Stonewall-Riots und kümmerte sich um Straßenkinder. Sie starb 1992, vermutlich wurde sie aus trans* diskri- minierenden und/oder rassistischen Motiven ermordet, dies ist jedoch bis heute ungeklärt.
Miss Major, beteiligt an den Aufständen, berichtet über das whitewa- shing (besonders kritisiert sie den Hollywood Film zu den Stonewall Riots): »Es ist so ärgerlich. Und schmerzhaft! Für all die Mädels, die nicht länger auf dieser Welt sind, die nichts mehr sagen können, tut dieser neue Film so, als würden sie nicht existieren […] Wir waren die Gruppe von Leuten, über de man sich lustig machen konnte und die man beschimpfen und über die man sich lächerlich machen konnte, ohne dass irgendwer etwas dagegen gesagt hätte […] Aber es wurde weiter damit gemacht das Ganze an sich zu reißen, es wurde ihnen nicht gestattet zu existieren, es wurde auch nicht zugegeben, dass sie existierten […] »Der Fakt, dass dies wieder getan wird. Das ist so schmerzhaft. Was ist mit den Leben all dieser Menschen? Frauen* und Transmänner und alle. […] Das hier ist für die jüngere Generation nach mir. Es ist für die Transpersonen, die nicht wissen, dass wir eine Kultur haben. Dass wir verdienen zu existieren. Dass dieses Mobbing falsch ist. Wir können unser Leben nicht so leben, wie andere denken wir sollten. […] Diese Menschen müssen für die Rolle, die sie spielten wahrgenommen werden. Und dafür, dass sie existierten. Es ist so wichtig, dass zumindest wahrgenommen wird, dass Marsha und Silvia existierten und dass sie so viel für die Community getan haben. Und sie haben versucht mit [der Mainstream LGBTQ Community] zusammen zu arbeiten. Für mich und die Mädels die Uptown lebten, haben sie so viel getan.«
Forderungen zur POLIZEI!
- Unabhängige Beschwerdestellen, die rassistische Vorfälle durch Polizeibeamt*innen dokumentieren und im Interesse der Betroffenen handeln.
- EIN ENDE ALLER RASSISTISCHEN POLIZEIKONTROLLEN und der Ersatzfreiheitsstrafe!
- EINE SYSTEMATISCHE AUSEINANDERSETZUNG MIT DEM INSTITUTIONELLEN UND ALLTÄGLICHEN RASSISMUS IN DER POLIZEI, DER JUSTIZ UND ANDEREN STAATLICHEN BEHÖRDEN
- SYSTEMATISCHEN ENTZUG VON RESSOURCEN UND BEFUGNISSEN DER POLIZEI und Ausbau der radikalen demokratischen Strukturen, die unsere communities unterstützen statt sie weiter zu kriminalisieren, auszubeuten und zu töten!
»Lasst uns gemeinsam den rassistischen Alltag bekämpfen. Beobachtet die Polizei kritisch und wenn ihr rassistische Kontrollen beobachtet oder glaubt zu beobachten, schaut hin, dokumentiert es und bietet, wenn es euch möglich ist, euren support an. Bringt euch nicht in Gefahr, aber seht hin. Wir müssen uns füreinander einsetzen und aufeinander aufpassen!«