
Während wir in Frankfurt gemeinsam mit Banken, Unternehmen, konservativen Parteien wie die CDU, eine vermeintliche diverse und queere Gesellschaft feiern, ist global und vor der eigenen Haustür Homophobie, Antifeminismus und Queerfeindlichkeit wieder in der gesellschaftlichen Mitte angekommen. Queere – besonders TIN* – Menschen werden aktuell vielen Angriffen ausgesetzt. Insbesondere die Ablehnung von bzw. der Hass auf trans* Menschen ist etwas, auf dass sich inzwischen der Großteil des politischen Spektrums, von religiösen Communities, sowie JK Rowling über die CDU, Alice Schwarzer und den britischen Premierminister bis hin zu Trump & Putin einigen können.
Die Errungenschaften der letzten Jahre wie beispielsweise der Zugang zu adäquater medizinischer Betreuung oder das Selbstbestimmungsgesetz sind so schnell wieder gefährdet, sobald Queersein nicht mehr „Hip“ und kommerziell erfolgreich ist und könnten somit bald schon wieder nichtig sein. Die queere Bewegung hat sich, nach Jahrzehnten des Kampfes, in Teilen auf der Liberalisierung der Gesellschaft ausgeruht. Anstatt die Abschaffung der Ehe zu fordern, hat man für die Homo-Ehe gekämpft, ohne sie als Unterdrückungsmittel zu hinterfragen.
Queere Kultur war im Mainstream angekommen – sie ist jetzt kommerziell erfolgreich, auch weil eine neue Konsumgruppe dadurch entstanden ist. CSDs sind oft, wie auch in Frankfurt, eine große Party – hier sind politische Forderungen weniger relevant geworden. Die historische Bedeutung des Tages – the first Pride was a riot – scheint hierbei vergessen. Die Trucks werden von großen Firmen gesponsert, aber „zu kinky“ soll bitte niemand sein, sonst verschrecken wir vielleicht noch jemanden (die Sponsoren). Radikale politische Forderungen werden nicht gestellt, man möchte „anschlussfähig“ und „familienfreundlich“ bleiben.
Auch beispielsweise die CDU, die vor wenigen Jahren noch gegen die Ehe für alle und gegen das Selbstbestimmungsgesetz gestimmt hat, wird mit offenen Armen empfangen. Die Absurdität der Tatsache, dass die Rechte queerer Menschen auf der Pride mittlerweile nur noch so sehr am Rande relevant sind, dass eine queerfeindliche Partei daran teilnehmen darf, findet zudem kaum Beachtung. Es bleibt jedoch nicht nur bei konservativen Parteien: Auch die Polizei ist Teil der Parade, obwohl sie bis vor wenigen Jahren in Frankfurt noch Razzien an queeren Orten durchgeführt hat. Trotz §175. Obwohl bis heute insbesondere TIN*s häufig diskriminierend und gewaltvoll von der Polizei behandelt werden. Obwohl migrantische Queers, wie alle Migrant*innen, regelmäßig unter einer rassistischen Polizei leiden. Weder Freund noch Helfer, besonders nicht von queeren Menschen.
Wie brüchig die erkämpften Fortschritte sind, kann man gerade in den USA beobachten. Alle großen Firmen haben sich in vorauseilendem Gehorsam Donald Trump gebeugt, Förderungen und Programme für jegliche Gleichstellung wurden sofort gestrichen. Sobald Pride-Flaggen und Diversität keinen Kommerz mehr bringen, verschwinden sie so schnell wieder aus dem Mainstream. Unwahrscheinlich, dass es in Deutschland unter Friedrich Merz anders laufen wird, spätestens aber, wenn bei der nächsten Bundestagswahl vermutlich die AfD an der Regierung beteiligt wird. Aber auch in Deutschland zeigt sich bereits: Vermehrt ziehen sich dieses Jahr Sponsor*innen von den CSDs zurück – gefördert haben sie diese fürs eigene Image und nicht für die Menschen.
Der aufgelöste CSD in Schönbeck, der Ordnungsamt und Polizei angeblich zu unpolitisch war, zeigt es sehr gut, was wir versuchen, zu verdrängen: Größere Teile der Gesellschaft und des Staates hassen uns Queers. Sie werden immer vermeintliche Begründungen finden: Zu grell, zu laut, zu radikal, zu unpolitisch, „aber die Kinder“, zu auffällig, „muss das denn sein“. Darauf hereinfallen, dass es angeblich an diesem und jenem liegt, sollten wir nicht.
An dieser Ablehnung unserer Identitäten und L(i)ebensweisen ändern auch queere Polizeibeamt*innen sowie eine begrenzt queerfreundliche Politik von Staat und Polizei nichts. Leider! Gerade deshalb sollten wir uns also wieder mehr auf uns und die Verteidigung unserer Lebensweisen besinnen, und weniger auf eine unpolitische Party und regenbogenfarbene Technotrucks von Deutscher Bank & anderen Großkonzernen.